- künstliche Intelligenz: Informationsverarbeitung durch den Computer
- künstliche Intelligenz: Informationsverarbeitung durch den ComputerDer menschliche Geist hat mit dem Computer einen Konkurrenten erhalten, der im Kognitionsbereich einige Funktionen besser beherrscht, als die menschliche Denkleistung sie je erreichen kann. Daraus erwachsen zwei Fehlurteile: Man unter- oder überschätzt den Computer als Instrument künstlicher Intelligenz. Die Unterschätzung beruht zum Teil auf Abwehr oder Fremdheit vor der neuen Technologie und äußert sich unter anderem als Zweifel daran, ob der Computer »kreativ« sein kann. Die Überschätzung, die davon ausgeht, der Computer sei der geistigen Leistungsfähigkeit des Menschen überlegen, folgt meist aus dem Verkennen, wie komplex die Kognition ist. Als Alternative bietet sich, jeweils die Vorteile von Mensch und Computer zu nutzen und sie in einem »Mensch-Computer-System« zu kombinieren.Die Forschungen zur künstlichen Intelligenz (KI) haben seit den 1950er-Jahren eine stürmische Entwicklung genommen. Sie bilden die Klammer für verschiedene Forschungszweige, die sich insgesamt mit den computergestützten Weiterentwicklungen intelligenter Leistungen beschäftigen. Wenn man bedenkt, wie fundamental der Computer die Welt in den letzten fünfzig Jahren verändert hat, überrascht es nicht, dass das Feld der KI-Forschung inzwischen ungeheuer umfangreich geworden ist.Die Gebiete der KI-ForschungDie Abbildung unten ordnet die älteren und neueren Teilbereiche der Forschungen zur künstlichen Intelligenz in einem Modell. Bereits frühzeitig war die wichtigste Frage, wie Information technologisch bewältigt werden kann. Einer der ersten Forscher war Claude Shannon, der den Informationsgehalt rechenbar gemacht hat. Seither ist »Information« nicht mehr eine philosophische oder profane Aussage, sondern eine kalkulierbare Zahl von Zeichenalternativen. Nach dem grundlegenden Begriff der »Substanz«, der schon im Altertum erarbeitet wurde, oder der »Energie«, der im 19. Jahrhundert dazukam, leistet die Neuformulierung der »Information« einen bahnbrechenden wissenschaftlichen Paradigmenwechsel. Zwar gibt es keine einheitliche Definition für »Information« (es sei denn, man begnügt sich mit der Formel »Reduzierung von Ungewissheit« von Fred Attneave), aber die Mehrheit bestimmt die Information als »Abstraktion aller mitteilbaren Bedeutung als Botschaft«. Entsprechend ist die Informatik die Wissenschaft, die sich mit der grundsätzlichen Verfahrensweise der Informationsverarbeitung und den allgemeinen Methoden der Anwendung, besonders der elektronischen Datenverarbeitung, befasst.Unter dem alten Begriff »Roboter«, der 1921 von Karel Čapek vom tschechischen »robot« (arbeiten) abgeleitet wurde und einen »künstlichen Menschen«, eine Puppe bezeichnete, versteht man heute eher »Automaten« oder »Manipulatoren« und damit die »Hardware« der programmierten Systeme mit einem Empfangsteil und einer Funktionskomponente. Die heutige Forschung gilt der Lernfähigkeit solcher Systeme: Einmal gemachte Fehler werden nicht mehr wiederholt. Hier schließt sich die Anwendungsforschung als »Software«-Entwicklung an. Sobald Maschinen mit offener Einsatzmöglichkeit vorhanden sind, kann man ihre Einsatzfähigkeit systematisch erweitern, wie es beispielsweise für zahlreiche Grafikprogramme geschehen ist.Unabhängig davon tritt gegenwärtig die Forschung zur Signalverarbeitung in den Vordergrund. Neuronen bilden Netzwerke und zeigen damit Wege auf, sowohl die in der Evolution entwickelten komplexen Verarbeitungen elektronisch nachzuahmen als auch das neuronale Geschehen mit den Kenntnissen der Elektronik beziehungsweise der elektrochemischen Technologie genauer zu bestimmen. Dieses Gebiet steht noch in den Anfängen und bestimmt deshalb häufig das Bild der KI-Forschung in der Öffentlichkeit.Zwischen diesen Hauptgebieten bewegen sich Nebenbereiche, von denen wir die (derzeit) vier wichtigsten herausgreifen. Die Taxonomieforschung entstand in den 1960er-Jahren. Sie versucht mithilfe von Computerprogrammen Klassifikations-, Diagnose- und Interventionssysteme hauptsächlich für die klinische Praxis aufzustellen und auszuarbeiten. Die Klassifikation zum Beispiel der psychischen Störungen hat mit den beiden Hauptverfahren DSM III R. (Diagnostic and Statistical Manual of Disorders, 3., überarbeitete Auflage) und ICD 10 (International Classification of Deseases, 10. Auflage) einen hohen Standard erreicht. Die Taxonomieforschung setzt sich bis zur Entwicklung »therapeutischer Maschinen« fort, deren Brauchbarkeit noch umstritten ist. Als zweiter Forschungsbereich sind die Sprachsysteme derzeit verstärkt in der Diskussion, weil sich realisierbare Anwendungen für Übersetzungsmaschinen abzeichnen, die lange Zeit für unmöglich galten. Das dritte Gebiet, die Expertensysteme, haben inzwischen einen festen Platz in der KI-Forschung. Sie speichern nicht nur Expertenwissen in den Entscheidungsprozess industrieller, wissenschaftlicher, politischer oder wirtschaftlicher Prozesse ein, sondern können darüber hinaus inhaltsunabhängige Strukturhilfen beisteuern (unter anderem Zielstrukturierung, Finden, Ermittlung und Bewertung von Handlungsalternativen, Festlegung und Gewichtung von Bewertungskriterien) und ihre Erfüllung kontrollieren.Die intelligenten Spiele verändern als viertes KI-Nebengebiet seit einigen Jahren das Freizeitverhalten von Kindern und Erwachsenen. In den 1950er-Jahren waren es die elektronischen Flipper, die Diskussionsstoff sowohl als zusätzliches Angebot zur Freizeitgestaltung wie als kulturkritische Mahnung gegen soziale Isolation lieferten. Heute stehen mit den Cyberspace-Automaten tief greifende Veränderungen für den Realitätsbezug des Menschen bevor. Eine virtuelle Welt wird in seine reale hineingenommen, und beide lassen sich kaum noch unterscheiden. Somit kann die KI-Forschung selbst die durch sie ausgelösten Entwicklungen der psychischen Situation des gegenwärtigen und zukünftigen Menschen kritisch untersuchen.Der Computer und das menschliche DenkenWie das menschliche Gehirn verfügt der Computer über Eingabesysteme, Verarbeitungs- oder Zentraleinheiten und Ausgabekomponenten. Bei normalen Personalcomputern ist es die Tastatur, bei den Industriecomputern oder Onlinecomputern sind es Messgeräte oder Verbindungen zu anderen Computern, die der Eingabe von Informationen dienen. Die Eingabeeinheiten der Menschen (zum Beispiel Augen und Ohren) sind denen des Computers noch weit überlegen. Bei den Zentraleinheiten (Zentralnervensystem beim Menschen beziehungsweise der Speicher und Hauptprozessor beim Computer) übertrifft dagegen jeder bessere Computer leicht das menschliche Gehirn an Schnelligkeit und der Menge der verarbeitenden »bits«, allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung. Das Gehirn verarbeitet nicht nur Informationen, sondern auch Emotionen. Theoretisch könnte das auch ein Analogcomputer leisten, der ähnlich wie ein Rechenschieber arbeitet, aber man hat sich stattdessen weitgehend auf das Digitalsystem beschränkt, das in seiner Arbeitsweise einem Abakus oder Rechenbrett gleicht. Die Datenverarbeitung kann in einer emotionslosen Welt funktionieren. Ein Mensch in dieser Situation hätte keine Überlebenschance, weil emotionale Entscheidungen einen wichtiger Bestandteil seines Lebens bilden. Deshalb taugen Computerprognosen über menschliches Verhalten wenig.Der eigentliche Vorzug des Computers sind die Ausgabeeinheiten. Kein Mensch kann eine solche Fülle von Entscheidungsprozessen in so kurzer Zeit zu einer Lösung zusammentragen wie der Computer. Dabei können neue Regeln eingebaut werden, so die Faustregel, dass rückwärts gerichtete Verkettungen von der Lösung bis zum Ausgang des Problems führen. Diese Regeln sind in ihrer Vielfalt lebensnahen Handlungen, Konstruktionsverläufen oder Automatismen ähnlich, bei denen man auch öfter gedanklich zum Problembeginn zurückkehrt. Allerdings gibt es Grenzen, wenn bei offenen Problemen der Lösungsweg unbestimmbar wird, zum Beispiel, wenn man irrationale, völlig unverständliche Maßnahmen einiger Personen einbezieht, die sich mit ihrem Verhalten nicht im »normalen« Maßstab einer Gesellschaft bewegen. Ferner kann man versuchen, in einem Entscheidungsprozess den Kontrahenten in die Irre zu führen. Vorläufig gehen die Computerprogramme von einer leicht programmierbaren »festen Gewinnmatrix« aus, das heißt von einem idealen rationalen Denker.Angesichts dieser Unterschiede von Mensch und Computer ist es unmöglich, das Denken zu »computerisieren« — ebenso wenig kann der Computer die Kognitionen kopieren mit ihren scheinbaren Umwegen, Abkürzungen, Abstrahierungen und persönlichen Begriffshierarchien, ihrer Irrtums- und Fälschungsabhängigkeit, ihrer Manipulierbarkeit sowie den individuellen Bewertungsstrategien. Unter der Voraussetzung, dass ein offenes Mensch-Computer-System die Eigenständigkeit der »Denkstrukturen« beider Instanzen nutzt, könnte es besonders für Voraussagen künftiger Entwicklungen eingesetzt werden, deren Bedingungsvernetzungen ohne Computer nicht zu überschauen wären.Prof. Dr. Hellmuth Benesch, MainzSchefe, Peter: Künstliche Intelligenz - Überblick und Grundlagen. Mannheim u. a. 21991.
Universal-Lexikon. 2012.